Rinnehaus – Kornmarkt 12
Textquellen: Stadtarchiv Osterode · Textfassung: Heike Grobis · Fotos: Daniel Li
Dieses Gebäude ist architektonisch gesehen eine Art „Zwitter“ – die unteren beiden Stockwerke bestehen aus Stein, die oberen aus Fachwerk. Noch dazu errichtet an herausragender Stelle, nämlich etwa mittig auf der nördlichen Seite des Kornmarktes; Jahrhunderte lang in etwa auf Höhe des Marktbrunnens. – Zur Bauzeit ab 1610 setzte sich in Osterode ein neuer Baustil durch: Die starken Überkragungen sowie die über zwei Geschosse reichende Diele verschwanden, jedes Geschoss hatte die gleiche Höhe. Bauherr ist der Rechtsgelehrte und Hofrat Prof. Dr. Andreas Cludius (1555-1624). Über dem Torbogen ein Wappenstein: weißer Schwan auf rotem Feld (Bauherr), stilisierter Aar über einem Wasserband mit Fisch (Ehefrau Elisabeth geb. Steckel). Zwei Frauenfiguren rahmen die Wappen ein: „Justitia“ und „Clementia“ – „Gerechtigkeit“ und „Mildtätigkeit“ als Lebensmotto des Hausherrn. Dazwischen ein Kopf mit der typischen Halskrause im 17. Jhdt. – Das Gebäude ist teilunterkellert (mehrere Gewölbekeller). – Im EG befinden sich ursprünglich Doppelfenster in der gleichen Anordnung wie im 1. OG. Auffällig ist die leichte Links-Verschiebung des Fensters über dem Torbogen. Das hängt wohl mit der damaligen Raumaufteilung innen zusammen. – Die beiden Fachwerkgeschosse kragen um Balkenbreite über. Dabei sind die Rähme und Füllhölzer mit einem Klötzchenfries, die Schwellen mit Taustäben verziert. Die je acht Fenster sind geordnet zu Zweiergruppen. – Die Anbauten aus unterschiedlichen Zeiten wurden verschiedentlich umgebaut. – Bis 1792 handelt es sich um ein Wohnhaus; anschließend Umwandlung: zunächst in eine Golgas-Druckerei (Fa. Greve; Textil), von 1808-1816 Bleiweißherstellung. Ab 1816 nochmaliger Wechsel – das Gebäude wird zum Hotel unter wechselnden Namen. – Somit folgt eine Neufassung der Fassade, welche jetzt in den Untergeschossen an das Beschlagwerk der Weserrenaissance erinnert. Die Fensterrahmungen stammen etwa aus 2. Hälfte 19. Jhdt. Wohl gleichzeitig Anbringung der Bogenform mit Puttenköpfen. Die Köpfe mögen dem Einzelkopf des Wappens nachempfunden sein und aus der Halskrause entstanden möglicherweise „Flügel“ mit der Spitze nach oben oder unten. 1917 konnte Kaufmann Wilhelm Rinne das Haus ersteigern, und seit 1919 diente das Haus der Familie Rinne als Wohn- und Geschäftshaus. Zu dieser Zeit wurden wohl aus den Doppelfenstern die heutigen Schaufenster.
Hotel: Ab 1816 „Englischer Hof“. Hier übernachtete auch Heinrich Heine 1824 auf seiner „Harzreise“ und berichtete von „Schildereien“ an den Zimmerwänden bzw. von Inschriften auf den Fensterscheiben. Ein Festsaal diente für Konzerte und Theateraufführungen. Außerdem gab es einen von hohen Bäumen beschatteten Konzert- und Kaffeegarten sowie im Seitenflügel eine Kegelbahn. Erwähnt werden auch ein Billard-Raum sowie das erste Osteroder Kino. 1876 wurde der neue Tempel der Osteroder Freimaurer-Loge „Zum Tempel der Eintracht“ geweiht; 2008 zogen die Freimaurer erneut in das „Rinne-Haus“. – Zu späterer Zeit änderte man den Namen um in „Stadt London“, und zur Zeit des Ersten Weltkrieges, als man Fremdwörter ausmerzte, nannte man das Hotel schließlich „Bürgerhof“. Durch den Krieg kam es zum Rückgang an Gästen. Seit 1919 war es Wohn- und Geschäftshaus der Familie Rinne; s. o. Das Gebäude samt Passage mit den vielen Einzelgeschäften in den ehem. Anbauten, Jahrzehnte lang Einkaufsmagnet, werden noch heute von den Osterodern „Rinne-Haus“ und „Rinne-Passage“ genannt.
Der Bauherr Cludius hatte seinerzeit 16 Kinder, von denen acht überlebten. Noch heute leben Nachfahren hier, die ihre alte Familiengeschichte erforschen.
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